Jetzt mal ehrlich! Ist das Servant Leadership?

Autor: Albert-Peter Rethmann

„Ich bin ja nur hier, um zu dienen.“ – Dieser Satz fällt oft schnell, fast beiläufig. In Führungskreisen wird Servant Leadership gerne als Ideal hochgehalten: Führen durch Dienen. Auf den ersten Blick klingt das sympathisch, fast demütig. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Nicht alles, was sich „dienend“ nennt, ist wirklich frei von Machtspielen.

Mal ehrlich!

Fakt ist: Der Begriff „Dienst“ kann – bewusst oder unbewusst – dazu genutzt werden, Machtverhältnisse zu verschleiern. Da wird Führung als „Hilfe“ inszeniert, während Entscheidungen längst gefallen sind. Es wird zum offenen Austausch eingeladen, doch was gesagt werden darf, steht stillschweigend fest. Die Chefin, die immer betont, „für ihr Team da zu sein“, duldet keinen Widerspruch. Oder der Chef, der ständig fragt, „wie er unterstützen kann“, aber nie aufhört zu kontrollieren. Das sind subtile Formen von Machtausübung – unter dem Deckmantel der Fürsorge.

Eine Falle …

Servant Leadership wird zur Falle, wenn es nur als Haltung gespielt, aber nicht gelebt wird. Wenn das Label benutzt wird, um eigene Ansprüche durchzusetzen, anstatt tatsächlich Verantwortung zu teilen. Wer vorgibt, zu dienen, ohne sich selbst zu hinterfragen, riskiert, in einer besonders undurchsichtigen Form von Autorität zu verharren. Ich kenne Menschen, die nach außen behaupten, keine Macht ausüben zu wollen – und diese oft sehr subtil in ihrem konkreten Handeln beanspruchen oder ausüben.

Was also macht echte dienende Führung aus?

Ich meine wirklich echte Servant Leadership zeichnet sich aus durch Selbstreflexion, Transparenz, aufrichtige Haltung und den Mut und die Kraft sich selbst Grenzen zu setzen.

  • Selbstreflexion: Wer dienen will, muss sich seiner eigenen Position, Privilegien und Wirkung bewusst sein. Nur wer seine Macht kennt, kann verantwortungsvoll mit ihr umgehen.
  • Transparenz: Entscheidungen müssen nachvollziehbar und Beteiligung ehrlich gemeint sein – nicht nur als symbolisches Mitreden.
  • Haltung statt Etikett: Servant Leadership ist keine Methode, sondern eine gelebte Grundhaltung. Sie zeigt sich in der Art, wie zugehört wird (Wie schwer ist das oft!), wie Konflikte ausgehalten werden und wie andere wachsen dürfen.
  • Mut zur eigenen Begrenzung: Echte dienende Führung akzeptiert, dass man nicht immer alles weiß oder besser kann – und dass das Team mehr ist als die Summe seiner „Geführten“.

Führen und Dienen …?

Dienen ist nicht das Gegenteil von Führen – sondern eine bewusste, reflektierte Art zu führen. Doch es ist ein feiner Grat zwischen echter Unterstützung und manipulativer Machtausübung im Namen des „Dienens“. Wer sich für Servant Leadership entscheidet, sollte nicht zuerst nach Werkzeugen suchen – sondern mit ehrlicher Selbstprüfung beginnen.

Denn: Führen durch Dienen heißt nicht, sich klein zu machen. Es heißt, groß genug zu sein, um andere groß werden zu lassen. Und das ist alles andere als ein Machtspiel